Grün ist die Hoffnung

"In jedem anderen Land der Welt würden sich hier 23 Ingenieure gegenseitig auf den Füßen stehen", grinst es uns breit entgegen, "alles was ich wissen muß - mira! - un metro." Das Grinsen des kleinen Mittvierzigers verspannt sich leicht, Stummelbeine gehen in schmerzhaften Spagat über. 1 Meter. Angewandte Geodäsie.

Das Grinsen in Brusthöhe gehört Juan, ,Steiger' einer Smaragdmine in MUZO/ Columbien, im Bus 7 Stunden nördlich von Bogotá, im Hubschrauber der Minenleitung 6 einhalb h weniger, und ohne die läuft hier vor Ort nix. "Einladungsschreiben aus Bogotá", jault uns der Türsteher per Gegensprechanlage voll, alle Bestechungsversuche schlagen fehl. Wir sind auf blauen Dunst hier, erfolglos bleibt das Tor dicht.

Was tun mit Laune auf dem Nullpunkt, 7 Stunden breiter Hintern im Museumsbus, umsonst. Durchatmen, tranquilo für Plan B. Alte Geologenweisheit: Unter Tage macht durstig. Ab in die nächste Cantina. Dort herrscht High Noon-Stammtischidylle. Vorn am Tisch unser Opfer, der Typ mit dem schicksten Helm. "Buenos miteinander, somos alemanes… en vaccaciones… si… si… claro… muy interesante aqui… gente de Colombia? … superamable!…", raffen wir unser rudimentäres Spanisch hervor und investieren eine Kiste Bier.

Voller Erfolg - Bogotá- Schrieb scheißegal - und so stolpern wir bucklig, schweißtriefend und eingesifft durch dunkle Gänge, knöcheltief in undefinierbarer Suppe. Über unseren Köpfen baumeln lose Kabel und notdürftige Bewetterungsschläuche. Juan, der Zwerg, rennt aufrechten Schrittes vorweg, quält unsere bierschweren Beine über klapprige Holzleitern, ab in die Unterwelt. Dranbleiben is´ angesagt. Er läßt keine Ecke aus, zeigt uns nach und nach die Arbeitsplätze seiner 20 Mineros und präsentiert uns seinen ganzen Stolz, einen nagelneuen Boschhammer. Erneutes Grinsen für´s Erinnerungsfoto.

Juan ist Praktiker, hat nie studiert und kann kaum eine unserer Fragen geologisch beantworten. Doch er weiß genau: "Nur in dem weißen, weichen Zeug stecken ESMERALDAS drin" … "nur leider finden wir momentan weder Weißes noch Weiches." Grinsen.

Die andere Welt draußen, wo die Minen ihren Abraum ausspucken und sich ein müder Bach durch Spülwässer zum Rio Carare aufbläht. Bajuwarische Bergkulisse, Tausende von GUAQUEROS, die mit ihren Spaten das Flußbett bioturbieren, mit Einkaufsnetzen dunkelgraue Pampe filtern, um aus der Kiesfraktion übersehene Esmeraldas zu klauben.

Über allem kreisen wachsam die geiernden Augen der NEGOCIADORES, der Aufkäufer- Dandies im Ludenlook mit makellos weißen Bundfaltenhosen, Leinenschuhen und halboffenem Hemd, aus dem smaragdbehangene feiste Goldketten hervorblitzen. Sie hocken zusammen beim kühlen Cerveza, das ihre wurstig beringte Rechte hinter den Oberlippenbart kippt, während die Linke per Panamahut Gegenwind vortäuscht. Geschirrhandtuch als Schal. Gruß an Sergio Leone. Mit gewinnendem Lächeln machen sie uns sofort als Freiwild aus, fordern Phantasiepreise und bringen unsere Lebern weiter in Schwierigkeiten. Viel falscher Frohsinn. Polierte Landcruiser vor Holzbuden. Kaufmännische Abgewichstheit schlägt in die offenen Gesichter der Guaqueros.

Und trotzdem strahlen die einfachen Schürfer - Männer, Frauen und Kinder, als Einzelbrödler oder zu SOCIAS zusammengeschlossen - vor purer Lebensfreude, grüßen, plaudern uns die Ohren wund. So treffen wir auch Guillermo, Mitte 30, der zusammen mit seiner Companera - hier kennengelernt, claro - mindestens hundert Lenze im Gesicht trägt. Neun Jahre ist er jetzt am Wühlen, besitzt ein kleines Haus in den Bergen zum Preis meiner Stiefel und raucht abscheuliche Filterlose. Zwischen trockenen Hustenanfällen erzählt er von rauschenden Festen, vom TEJO (Trinkspiel) und AQUADIENTE (Anis-Blindmacher). Er schwärmt vom freien Leben als Glücksritter. Harte Arbeit? Auf und Ab? Es la vida! Sicher, wenn mal einer richtig Sott hatte, wurde sein Leben schlagartig gefährlicher. Trotzdem hofft er auf den großen Wurf. Jeden Moment kann er kommen. Heute? Na ja, heute jedenfalls hatte er kein Glück, gesteht er lachend, die zwei grünen Fitzel, Ausbeute des Tages, wollte kein Negociador haben - SUERTE, Schicksal. Er vermacht sie mir, steckt sich die nächste Kippe an, schultert seine Schaufel und greift noch mal an. Ein kleiner grüner Stein schon könnte reichen für den Aufstieg zum Negociador.

Stef

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