Jena - unendliche Steine …

Wir schreiben das Jahr 1995, Geologen der Universität Hamburg kartieren das Flachmeer der Trias bei Jena.
Nach einer Strapazierfahrt von sechshundert Kilometern bei quälender Affenhitze ist das Ziel der Exkursion erreicht - das Flachmeer des Muschelkalks (243 bis 231 mio.) in einer Höhe von zweihundert Metern über Normalnull bei Jena. Hier sollen angehende GeologInnen und PaläontologInnen der Universität Hamburg in die Geheimnisse der Kartierkunst eingewiesen werden. Uschi, Babs, Helga und Gisela sind die ersten. Sie erreichen trotz der vagen Wegbeschreibung "Stiebritz bei Jena" aus der Vorbesprechung pünktlich das Ziel. Opa erreicht als zweiter unsere Heimat für zwei Wochen. Auch Horst kommt, obwohl er den geplanten Zug in Hamburg verpaßt und mit einer Verspätung von einer Stunde losfährt, noch rechtzeitig an. Der Rest bleibt zunächst verschollen und es wird überlegt ob man eine Suchaktion starten oder die Geschichte gewinnbringend durch RTL vermarkten lassen soll. Mit drei Stunden Verspätung melden sich dann doch die Verschollenen, die eine Höllenfahrt mit der Deutschen Bundesbahn hinter sich haben. Eine uralt Reichsbahn-Lokomotive macht bald schlapp, weil die Motoren sich überhitzen und wird nach mehrmaligem cold-up endlich durch eine funktionstüchtige ersetzt. Eine Vorhut gelangt mit dem Daumen nach Stiebritz und der entnervte Rest wird mit dem Auto vom Bahnhof Paradies in Jena abgeholt. Die Strapazen der Anfahrt werden am Abend schließlich durch ausgiebiges trinken und rauchen vergessen.

Erster Tag im Gelände, zuerst eine Einweisung in die Stratigraphie und die Arbeitsmethoden solange es trocken ist. Dann wird die Bullenhitze durch Regen ersetzt, der Boden ist matschig und der Feldweg in´s Kartiergebiet führt bergauf. "Kein Problem, dort oben am Waldrand stellen wir den Wagen ab". Beim ersten Versuch die Schmodderstrecke zu bewältigen waren wir wohl ein wenig zu langsam, also noch mal mit Anlauf. Scheiße, geht auch nicht, jetzt aber mit Gefühl. Auch der dritte Versuch mit der Schweinekarre den Weg nach oben zu bewältigen schlägt fehl, 90 PS machen eben auch aus einen Audi nicht ein Geländefahrzeug. Der Karren muß also auf dem Feld des Bauern geparkt und der Weg zu Fuß zurückgelegt werden. Petrus´ Ergüsse von oben und Transpirationsnässe von innen zehren an den Nerven, aber die Suche nach den verschollenen Steinen muß in Angriff genommen werden. Der Weg durch die Jahrmillionen ist steil und für einen Flachländer eine Tortur. Die Kalke des Flachmeeres zeigen sich nur sporadisch und der feuchte Boden zeigt sich von seiner ekeligen Seite. Keine zehn Höhenmeter sind ohne Bekanntschaft mit dem Dreck des Waldes zu schaffen. Eines steht bald schon fest - gut riechen werden wir nicht. Aber bald werden wir zurück zum Basislager fahren.

Dort leben wir wie die Affen. Die Bühne einer Dorfkneipe ist für die nächsten vierzehn Tage unser zu Hause. Der Betrieb läuft unseres Aufenthaltes ungeachtet von 8:00 bis 16:00 weiter, was aber nach zwei Tagen wohl die Gäste mehr stört als uns.

Die nächsten Tage bleiben heiß, die Temperaturen fallen nicht unter 90° F im Schatten, die Sonne sorgt für ständigen Nachschub an Punkten auf dem Melanomkonto. Die Wetterbedingungen sollen aber nicht die einzige Fährnis sein. Zecken und Mücken erschweren einem das Leben und Wespen wollen den Geophilen ans Leder. Morgens um 5:00 sorgen Fliegen für das vorzeitige Ende der verdienten Nachtruhe. Und im Gelände macht Helga auch noch Zicken, weil die Schminke bei diesen Temperaturen verläuft, ihre Strapse zwicken und sie mit den Stöckelschuhen ständig hinterher hinkt. Die Ausrüstung für eine Exkursion bestellt man eben nicht bei Ives Rocher.

Die nächsten Tage beginnen früh mit der kleinen Nachtmusik, die der Wecker kurz vor 7:00 plärrt. Gefrühstückt wird schon um 7:30. Dann geht's los in´s Gelände. Glücklich diejenigen, die mit dem Auto fahren können, weniger lustig für diejenigen, die zu Fuß los müssen. Opa fährt täglich erst mal mit Bestellungen in die Kaufwelt. Gott sei Dank bekommen wir vom Dorfhöker Getränke zum Einkaufspreis. Der Grundbedarf liegt bei fünf Litern alkoholfreien Getränken gegen die Dehydrierung und einigen Flaschen Bier, wahlweise etwas Vodka-O mit Grenadine, die Schinderei Vergessen zu machen.

Nächtens wird die Plackerei durch Somnabulismus aufgearbeitet. Der eine sabbelt im Schlaf und fürchtet die Gelbkalke zu verlieren, der andere schnarcht sich die Seele aus dem Leib, und Uschi findet des Morgens Horsts Socken unter ihrem Kopfkissen.

Die Tage im Gelände bestehen neben der Suche nach Steinen, die kaputt gehauen und bestimmt werden, aus Sonnenbaden, Kirschen essen, Tiere beobachten und Knochen von Wildschweinen sammeln. Abends wird getrunken, werden Karten vervollständigt und Karten gespielt, philosophiert, Zecken entfernt und Essen gefahren. Am Wochenende wird gegrillt.

Letzter Tag, es erwartet uns der zweite Grillabend. Deshalb muß es schnell gehen. Die Karten müssen mit den Nachbargruppen abgeglichen werden. Dabei haben es die Randgruppen natürlich besonders einfach, sie müssen sich nicht an beiden Grenzen mit den Karten der Nachbarn abstimmen. Schließlich sind alle Karten zurechgeschummelt und die Meßwerte so interpretiert, daß die topographischen Gegebenheiten den Meßwerten entsprechen und ein Geländeprofil gefertigt werden kann.

Alles in allem war die Exkursion für alle Beteiligten nicht nur eine Pflicht, sondern eine schöne Zeit, die die Bande festigte.

Die Protagonisten waren: Uschi, Gudrun, Helga, Babs, Gisela, Horst, Opa (das sind Martin J., Timo, Kai, Andreas, Matthias, Ulrike und Thomas H. H.), sowie Snjezana, Janet, Ute und Martin H. als Crew und Ute und Jutta als Trainer.

Opa Siems

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